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Ausgewogen sein in unserer Betonung von Verstand und Gefühlen im Glauben

Fühlen und Denken sind wesentliche Funktionen des menschlichen Bewusstseins. Dass wir fühlen können, unterscheidet uns von der Maschine. Diese kann messen, aber nicht fühlen. Dass wir Verstand haben, unterscheidet uns von den Tieren. Deshalb bezeichnet Aristoteles den Menschen als zoon logikon (gr., animal rationale lt.): Der Mensch ist das Lebewesen, das denkt. Er kann urteilen, Schlüsse ziehen. Diese wichtige Form des Denkens gibt es bei Tieren nicht, obwohl auch Tiere Zusammenhänge (Kausalität) erkennen können.

Verstand und Gefühle – beides ist wichtig! Wenn Gefühle fehlen – z. B. Einfühlungsvermögen oder Mitleid –, sinkt der Mensch auf das Niveau einer Maschine. „Verliert“ er den Verstand, ist er vom tierischen Triebverhalten oft kaum noch entfernt.

Verstand und Gefühle – beide haben unterschiedliche Funktionen. Gefühle sind eine starke Kraft, motivieren und begeistern uns, wecken Leidenschaft. Manchmal leider auch für das Falsche. Denn Gefühle kennen im Gegensatz zur Vernunft keine Kategorien wie richtig oder falsch – wir fühlen eben so, wie wir fühlen.

Wenn wir etwas als richtig oder falsch erkannt haben und die Gefühle ziehen nicht mit, wird es mühsam. Disziplin und Willenskraft sind wichtig – aber ständig gegen unsere Gefühle anzukämpfen ist sehr anstrengend.

Denken und Verstand adeln den Menschen gegenüber dem Tier, sind Teil der Gottesebenbildlichkeit. Sie haben gewaltige Leistungen ermöglicht. Was da z. B. in einer Uni-Bibliothek an menschlicher Verstandesleistung zusammenkommt, wäre in der Tierwelt „undenkbar“. Von den ganzen technischen Errungenschaften mal ganz abgesehen. Und während ich das schreibe, merke ich schon, wie ambivalent das Ganze ist: auch Rationalität kann klare Schattenseiten haben. (Siehe dazu z. B. „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno.)

Nicht nur Gefühle können falsch sein, auch der Verstand kann irren. Wenn wir etwas unbedingt wollen, finden wir schnell Argumente dafür, auch aus der Bibel. Luther hat die Vernunft deshalb als Hure des Teufels bezeichnet.

„Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt“, sagt Blaise Pascal. Verstand und Gefühl sind interessengeleitet. Beide haben ihre Gründe, sind von tieferen Motiven bestimmt. Und bedürfen deshalb oft der Korrektur.

Dabei ist der Verstand im Vorteil. Er kann durchaus fehlgeleitete Gefühle erkennen.

„Jetzt sei doch vernünftig!“, ist oft der letzte Versuch, jemand zu korrigieren, der völlig von seinen Gefühlen übermannt wird. Wir wissen: Wenn wir uns nur von unseren Gefühlen leiten lassen, wird es schwierig.

Aber wer korrigiert den Verstand, der ja auch irren kann? Manchmal ein Gefühl. Wir haben eine Intuition, dass etwas nicht stimmt. Das kann sehr wichtig sein, ist aber begrenzt.

Paulus schreibt, dass er „jeden Gedanken gefangen (nimmt) unter den Gehorsam Christi“ (2Kor 10,5). Maßstab ist dabei Gottes Wort, die Bibel. Wir können natürlich auch hier etwas falsch verstehen. Deshalb brauchen wir einander. Erkenntnis ist ein Gemeinschaftsprojekt. Wir erkennen „mit allen Heiligen“ (Eph 3,18)

Was aber tun wir, wenn wir falsch fühlen? Wenn wir hassen, obwohl wir lieben sollen? Wenn wir etwas begehren, das verboten ist? Hier haben wir als Christen das Vorrecht, zu Gott gehen zu können, der uns besser kennt als wir selbst. Er ist der Herzenskenner. „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen? Ich, der HERR, kann das Herz ergründen“, lesen wir in Jer 17,9f. (LUT). Und weil uns Gott besser versteht als wir uns selbst , dürfen wir ihn bitten, unser Herz zu verändern – unser Denken, Fühlen und Wollen. Wir können mit David beten: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in mir einen festen Geist!“ (Psalm 51,12).

Ralf Kaemper ist einer der Schriftleiter der PERSPEKTIVE und Lektor der Christlichen Verlagsgesellschaft Dillenburg.

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