Auszug aus: "Das neue Credo – Fünf säkulare Glaubenssätze im Test"

Experten sprechen von Gender-Dysphorie, wenn das biologische Geschlecht und die Geschlechtsidentität eines Menschen nicht zusammenpassen. Seit diese Fälle dokumentiert werden, ist sie vorwiegend bei einer kleinen Minderheit biologisch männlicher Personen beobachtet worden, die seit ihrer Kindheit Unbehagen im Hinblick auf ihr Geschlecht empfunden haben. Bei den meisten von ihnen löst sich die Dysphorie bis zum Eintritt ins Erwachsenenalter von selbst. Bei manchen ist das jedoch nicht der Fall. In den letzten Jahren hat sich das diesbezügliche Geschlechterungleichgewicht allerdings umgekehrt. Zwischen 2016 und 2017 ist die Zahl der geschlechtsangleichenden Operationen, die an weiblichen Personen vorgenommen wurden, in den Vereinigten Staaten um 289 % gestiegen. Heute machen biologische Frauen 70 % aller geschlechtsangleichenden Operationen aus. In Großbritannien verzeichnete das Jahrzehnt von 2008 bis 2018im Vergleich zum vorigen Jahrzehnt einen Anstieg von 4.400 % in der Zahl der Teenagermädchen, die eine Geschlechtsbehandlung wollten. Was passiert hier also?

Eine Form von Selbstverstümmelung?

Manche argumentieren, eine größere gesellschaftliche Akzeptanz gebe jungen Mädchen den Mut zur Veränderung des Geschlechts: Der Anteil an „Transjungen“ sei nicht gestiegen, der gesellschaftliche Wandel habe es ihnen nur ermöglicht, sich zu outen. Andere sind der Meinung, hier sei mehr im Spiel als das. Die Journalistin Abigail Shrier merkt an: Viele der jugendlichen Mädchen, die sich jetzt als Jungen identifizieren oder Begriffe wie „nicht binär“, „nicht genderkonform“ oder „genderqueer“ verwenden, haben zuvor keinerlei Anzeichen von Dysphorie gezeigt. Sie argumentiert: Vieles von dem, was wir hier beobachten, sind jugendliche Mädchen, die damit ringen, sich mit ihrem sich entwickelnden, weiblichen Körperanzufreunden, die oftmals mit anderen Herausforderungen im Bereich der seelischen Gesundheit zu kämpfen haben und nach sozialer Anerkennung suchen, indem sie sich als trans outen. In ihrem Buch Irreversible Damage: The Transgender Craze Seducing our Daughters (dt. Unumkehrbarer Schaden: Der Transgender-Wahn verführt unsere Töchter) vergleicht Shrier Gender-Dysphorie bei Mädchen mit Magersucht (Anorexie). Sie stellt die Hypothese auf, die wachsende Zahl junger Frauen, die sich pubertätshemmende Medikamente verschreiben lassen, Testosteron einnehmen und sich ihre Brüste entfernen lassen, betreibe eigentlich eine Form von Selbstverstümmelung.

Mädchen nicht zu zerstörerischen Entscheidungen ermutigen

Shrier hat kein persönliches Problem mit der Sache. Sie hat kein Kind, das sich als trans bezeichnet. Sie ist jüdisch, hat keine besondere religiöse Motivation und ist sogar der Auffassung, dass ein medizinischer Eingriff für eine kleine Minderheit von Leuten mit schwerer und bleibender Gender-Dysphorie gerechtfertigt ist. Aber sie ist nicht der Meinung, dass jugendliche Mädchen dazu ermutigt werden sollten, lebensverändernde, ihre Fruchtbarkeit zerstörende Entscheidungen zu treffen. Das ist nämlich genau das, was hier passiert. Weil Therapeuten inzwischen faktisch verpflichtet sind, die von einem Jugendlichen erklärte Transidentität zu bestätigen, werden jungen Mädchen, die möglicherweise andere Probleme mit ihrer mentalen Gesundheit haben, pubertätshemmende Medikamente, Testosteron und schließlich Brustentfernungen (Mastektomien) angeboten, um ins verheißene Land der Männlichkeit einzutreten. Ihren Eltern erzählt man, sie davon abzuhalten, werde zum Suizid führen.

Hohe Zahl an Selbstmordversuchen

Eine vielfach zitierte Studie befragte Personen, die sich als trans identifizieren: „Hat irgendein Fachmann (also z. B. ein Psychologe, Seelsorger oder religiöser Ratgeber) versucht, Sie dazu zu bringen, sich ausschließlich mit dem Geschlecht zu identifizieren, dass Ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde (mit anderen Worten – hat er oder sie versucht, Sie davon abzubringen, trans zu sein)?“ Diese Studie fand heraus, dass diejenigen, die diese Frage bejahten, insgesamt von einem schlechteren mentalen Gesundheitszustand berichteten als jene, die sie verneint hatten. Die Studie hatte jedoch zahlreiche methodische Probleme, u. a. wurden zugrunde liegende psychische Erkrankungen nicht berücksichtigt, die eine entsprechende Fachperson dazu veranlasst haben könnten, die Trans-Identität einer Person infrage zu stellen.
Die Häufigkeit von Suizidversuchen unter jugendlichen Mädchen, die sich als Transgender identifizieren, ist extrem hoch. Eine Studie fand heraus, dass die Quote von Suizidversuchen bei weiblichen Trans-Jugendlichen, die sich als männlich identifizierten, bei 50,8 % lag – die höchste Quote aus jeder Kategorie. Dicht gefolgt von jenen, die sich weder als vollständig männlich noch weiblich identifizierten (41,8 %) und schließlich männlichen Trans-Jugendlichen, die sich als weiblich identifizierten (29,9 %).
Diejenigen, die Transidentitäten als gut und authentisch betrachten, machen die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz für diese Daten verantwortlich. Aus diesem Grund wird Eltern gesagt, sie müssten die Identität ihres Kindes bestätigen. Aus der anderen Richtung werden diejenigen, die Transidentitäten als schädlich betrachten, versucht sein, die Zahl der Suizidversuche unter transidenten Jugendlichen ausschließlich als Beweis dafür zu sehen, dass es schlecht für Kinder ist, sich als trans zu identifizieren, und nur psychische Probleme verschleiert. Dabei spielen sie leicht die Bedeutung von Mobbing und Mangel an Empathie herunter.
Diese Fragen sind politisch derart aufgeladen, dass es schwierig ist, fundierte Untersuchungen durchzuführen. Auch gibt es hier noch keine sauber abgegrenzten ideologischen Lager. Viele der Eltern, die Shrier interviewte, waren säkulare Liberale, die die gleichgeschlechtliche Ehe und Transrechte bejahten, aber nicht glaubten, ihre Tochter sei trans.

Spott ist niemals richtig

Unabhängig von unseren Überzeugungen gilt: Das Leben dieser jungen Menschen zählt. Diejenigen zu verspotten oder zu verachten, die mit ihrer Geschlechtsidentität zu kämpfen haben, ist niemals die richtige Herangehensweise. Aber emotional verletzliche junge Mädchen dazu zu ermutigen, sich medizinischen Behandlungen zu unterziehen, die ihren sich noch in der Entwicklung befindlichen Körper entstellen und sich auf ihren sich noch entwickelnden Geist auswirken werden, ist auch kein Akt der Liebe.

Ein Triumph der Freiheit?

Auch aus säkularer Perspektive bleiben echte Fragen in Bezug darauf, was im Selbstverständnis einer Person bejaht werden sollte und was nicht – insbesondere wenn diese Person noch nicht das Erwachsenenalter erreicht hat. Für viele ist der Vorrang individueller Freiheit eine Kernüberzeugung. Und trotzdem würden die meisten Leute Kinder davon abhalten wollen, sich das Leben zu nehmen, sich auszuhungern oder sich zu ritzen. Ist die Ablehnung ihres weiblichen Körpers durch ein Teenagermädchen wirklich ein Triumph der Freiheit und Authentizität? Oder ist sie nicht vielmehr Ausdruck einer tragischen Sehnsucht, die aus verinnerlichter Frauenfeindlichkeit geboren wurde oder einer unbehandelten Depression? Wo sollte sie denn nach der Wahrheit über ihre Geschlechtsidentität suchen: in ihrem Körper oder ihrem Social-Media-Feed? Wenn sie pubertätshemmende Medikamente einnimmt – auf die, wie Shrier anmerkt, nahezu immer Testosteron folgt –, werden ihre dadurch veränderten Gefühle tatsächlich zeigen, dass sie nie wirklich weiblich war? Oder wird es einfach nur einen ansonsten normalen weiblichen Körper zerstören? Und wie sieht es dann mit nicht-binären Identitäten aus?

Jesus bietet Hoffnung

Denjenigen, die sich von ihrem biologischen Geschlecht entfremdet fühlen, die sich fühlen, als würde ihnen in ihrem Körper nicht warm werden, ganz egal, wie viele Kleidungsschichten sie anziehen, bietet Jesus Hoffnung an. Nicht die Hoffnung auf einen Körper mit einem anderen Geschlecht, aber die Hoffnung auf eine neue Wirklichkeit, die sich nicht länger anfühlt wie Geburtsschmerzen. Die Transperson, der ich nachmeinem Vortrag in England begegnete, dankte mir dafür, dass ich diese Fragen feinfühlig behandelt hätte. Aber Jesu Feinfühligkeit übertrifft unsere bei weitem. Es ist die Feinfühligkeit des Gottes, der seine Liebe zu uns mit der einer stillenden Mutter vergleicht (Jesaja 49,15). Wir können diesem Gott unsere zerbrechlichen Körper anvertrauen, auch wenn wir uns darin nicht mehr zu Hause fühlen. Denn er liebt uns mit einer unvergänglichen Liebe. Eines Tages wird er jede Träne von unseren Augen abwischen und unsere leidenden Körper neu machen.
Wenn wir Jesus einmal sehen werden, werden wir zu dem zurückkehren, der uns schon im Mutterleib gebildet hat und der unseren Platz eingenommen hat, als er am Kreuz starb. Er hat uns an jedem einzelnen Tag unseres Lebens gesehen, und er kennt uns besser, als wir uns selbst kennen. Ganz gleich, wie hoffnungslos sich das Leben jetzt anfühlt – er hat ein Drehbuch für unsere Ewigkeit. Und wenn wir einfachunser Vertrauen auf ihn setzen, wird das Ende unserer Geschichte unvorstellbar gut werden.
 
Rebecca McLaughlin (PhD, Cambridge University) ist die Autorin von 10 Fragen und Kreuzverhör, das von Christianity Today zum "Buch des Jahres" gekürt wurde. Sie ist in Großbritannien aufgewachsen und hat in Cambridge in englischer Literatur promoviert und am Oak Hill College in London Theologie studiert. Rebecca lebt mit ihrer Familie in den USA.
 
Aus: Rebecca McLaughlin: Das neue Credo | Fünf säkulare Glaubenssätze im Test, 2023
CV-Dillenburg, 192 S., 17,90 €, Best. Nr. 271822, www.cb-buchshop.de
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